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Rad vom Chef

Ein Interview mit Ulrich Prediger aus dem Karl Magazin

Ulrich Prediger lehnt sich über ein grünes Holzbike

Ulrich Prediger hat mit seiner Marke JobRad dem Dienstrad in Deutschland den Weg bereitet. Im KARL-Interview erzählt er seine Geschichte und erklärt, wie man an ein Leasing-Rad kommt.

Herr Prediger, seit zehn Jahren dreht sich in Ihrem Leben alles um das Thema Fahrrad. Wie kam es dazu?

„Es gab drei große Treiber. Mein Vater ist immer mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren, er war ein Vorbild für mich. Meine Heimat Freiburg ist eine sehr fahrradfreundliche Stadt. In Freiburg erledigen viele die Wege zur Schule, zur Ausbildung, zur Arbeit mit dem Rad. Zudem habe ich lange in den Niederlanden gelebt, dem Vor- und Spitzenreiter in Sachen Radverkehr weltweit. Dort habe ich gelernt, dass die Fahrradnutzung nichts mit Topografie, dem Wetter oder auch mit der Länge der Strecke zu tun hat, sondern dass die Verankerung des Rads in der Kultur und in der Gesellschaft elementar ist.“

Was war der Auslöser dafür, dass Sie vom aktiven Fahrradfahrer, vom Fahrradliebhaber zum Fahrradaktivisten geworden sind?

„Der eigentliche Auslöser war mein damaliger Arbeitgeber, der überhaupt nicht verstanden hat, dass ich lieber mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre als mit dem Auto. Mein Dienstwagen stand im Prinzip immer nur zu Hause rum. Eigentlich wollte ich überhaupt kein Dienstauto, sondern ein Geschäftsrad. Das habe ich aber nicht bekommen. Mit dem Verweis darauf, dass ich einen Dienstwagen habe. Die Sinnlosigkeit des Ansatzes, dass ich mein Auto nutzen sollte, nur weil es da ist, hat mich dann derart genervt, dass ich alles auf eine Karte gesetzt habe. Ich war mir damals sehr sicher, dass der Erfolg des Geschäftswagens in Deutschland die Basis für ein genauso erfolgreiches, wenn nicht gar noch erfolgreicheres Dienstfahrrad-Modell sein kann.“

Dieser Moment war die Geburtsstunde von Jobrad?

„Richtig.“

Was hat Ihre Familie, was haben Ihr Freunde gesagt, als Sie plötzlich alles auf das Thema Fahrrad gesetzt haben?

„Ganz unterschiedlich. Manche fanden es eine coole Idee, andere wollten wissen, wie ich die Geschichte angehen möchte. Die meisten haben aber nicht verstanden, warum ich meinen guten Job aufgebe, um etwas mit Fahrrädern zu machen. Meine Eltern waren eher besorgt. Wir hatten zwei kleine Kinder und gerade ein Haus gekauft. Das ist normalerweise der Moment, in dem man Sicherheit zu schätzen weiß und nicht einer verrückten Idee nachgeht. Ich habe mich nicht aufhalten lassen.“

Logo Karl
Portrait von Björn Gerteis, Karl Magazin

Text Björn Gerteis

Björn lag seinen Chefs mit JobRad Jahre lang in den Ohren. 2017 haben sie zugestimmt.

Portrait von Kilian Kreb, Karl Magazin

Fotos Kilian Kreb

Der Fotograf kam mit seinem alten Stadtrad zum Termin. Jetzt möchte er ein JobRad.

Portrait Ulrich Prediger im Büro

Ich will die Radkultur in Deutschland nachhaltig verbessern.

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Ulrich Prediger

Die Banken fanden das Thema mitten in der Bankenkrise sicher spannend?

(lacht) „Nein. Die fanden das alle eine völlig abstruse Idee. Ich bin damals zu vielen Banken getingelt und habe im Prinzip um Geld gebettelt. So kam es mir vor. Das war schon hart. Ich habe meine Idee aber mit Nachdruck, mit viel Engagement und einer gewissen Professionalität vertreten. Außerdem hatte ich schon zwei Preise für die Idee in der Tasche, die den Banken gezeigt haben, dass es sich zwar um eine aus deren Sicht völlig verrückte Idee handelt, aber dass sie so ganz verrückt nicht sein kann.“

Dabei ist die Idee leicht zu verstehen.

„Der Ansatz war, an das überaus erfolgreiche Geschäftswagen-Modell in Deutschland anzuknüpfen. Mehr als die Hälfte aller neu zugelassenen Pkws sind geleaste Firmenfahrzeuge. Mich hat die Frage angetrieben, wie ich die Fahrradkultur in Deutschland nachhaltig beeinflussen kann, wie das Fahrrad zum Alltagsverkehrsmittel wird. Das passiert automatisch, wenn man mit dem Rad zur Arbeit fährt. Vorher bringt man die Kinder noch in die Kita, danach fährt man einkaufen. Das geht alles mit dem Dienstwagen, das muss auch mit dem Rad gehen. Also warum nicht das erfolgreiche Modell kopieren?“

Wie funktioniert das Modell heute?

„Der Arbeitgeber ist der Leasingnehmer und überlässt das Fahrrad dem Mitarbeiter. Allerdings findet die Finanzierung über eine Bruttogehaltsumwandlung statt. So spart der Mitarbeiter Steuern und Sozialabgaben und bekommt durch diesen Ansatz das Fahrrad um 25 bis 30 Prozent günstiger im Vergleich zum Kauf.“

Ulrich Prediger lehnt sich über ein grünes Holzbike

im Koalitionsvertrag spielt das Fahrrad fast keine Rolle. Immer wieder wird das Fahrrad vergessen.

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Ulrich Prediger

Voraussetzung hierfür war die Gleichstellung des Fahrrads mit dem Dienstwagen?

„Erst als wir uns für den Weg der Gehaltsumwandlung entschieden haben, nahm das JobRad Fahrt auf. Im ersten Schritt haben noch die steuerlichen Voraussetzungen gefehlt, die durch unser Einwirken 2012 geschaffen wurden, nämlich mit dem Erlass der Landesfinanzministerien, dass bei Fahrrädern der geldwerte Vorteil mit 1 Prozent versteuert werden darf und sie somit dem Auto gleichgestellt sind.“

Dieser Erlass war der zweite Startschuss für Ihr Unternehmen?

„Ja. Aber bis zu diesem Punkt war es ein langer Weg. Zu Beginn hatte ich natürlich überhaupt keine Ahnung von Lobbyarbeit. Wir funktioniert so was?“

Und wie funktioniert es? Mit wem muss man Essen gehen?

(lacht) „Wenn es so einfach wäre … Wir hatten verschiedene Anknüpfungspunkte. Zum Beispiel die Bundestags­abgeordnete aus Freiburg, die das Thema in ihre Partei mitgenommen hat. Auch Landesverkehrs­minister Winfried Hermann hat sich damals der Sache angenommen, weil er es für sehr sinnvoll hält, nicht nur das Auto steuerlich zu privilegieren, sondern auch das Fahrrad gleichzustellen. Sein Vorschlag zur Gesetzesänderung ist im Bundesrat gescheitert. Wir mussten feststellen, dass wir für die klassische Lobbyarbeit viel zu klein und unbedeutend sind. Daher haben wir zwei Ebenen weiter unten angesetzt, über die Lohnsteuer-Referatsleiter in den Landes­finanzministerien. Wir haben sie mit einem gemeinsamen Schreiben darüber informiert, dass es immer noch eine Ungleichbehandlung zwischen Fahrrad und Auto gibt, und dass man dies doch ändern müsse. Nach ein paar Monaten kam dann tatsächlich auch der Erlass.“

Ist das Fahrrad politisch weiterhin nur ein grünes Verkehrsmittel?

„Leider ja. Vergangenen Sommer gab es eine Einladung der CDU-Fraktion zu einem Fahrrad-Kongress. Von den Podiumsteilnehmern nutzte kein Einziger das Fahrrad im Alltag. Warum werden solche Leute zu einer Radverkehrs­veranstaltung eingeladen? Das einzig positive war, dass die CDU sich überhaupt mal dem Thema Fahrrad annimmt. Aber auch im neuen Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD spielt das Fahrrad wieder fast keine Rolle. Immer wieder wird das Fahrrad vergessen.“

Warum?

„Ein Hauptfaktor ist die sehr starke Autolobby. Es gibt geschätzt rund 300 Autolobbyisten in Berlin, die mindestens einmal täglich ein Gespräch auf sehr hoher Ebene mit politischen Entscheidern haben. Eine Fahrradlobby gibt es im Vergleich nur sehr eingeschränkt. Das Fahrrad wird weiterhin total unterschätzt.“

Dafür müsste das Fahrrad auch anders wahrgenommen werden.

„Diese Vision muss in unserer Kultur, in unserem Denken verankert werden. Das Image des Fahrrads muss sich ändern. Es ist kein Arme-Leute-Verkehrsmittel, sondern es ist hip, smart, gesund, nachhaltig und umweltschonend, auf zwei Rädern durchs Leben zu rollen.“

Fahrverbote könnten diesen Weg auf einmal beschleunigen.

„Viele Arbeitgeber müssten sich darum kümmern, wie Mitarbeiter zur Arbeit kommen, wenn das Auto stehen bleiben muss. Da wird das Fahrrad ein noch wichtigeres Thema.“

Sie haben das Stichwort „hip“ selbst genannt. Kann das Rad nicht ein Mittel sein, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein oder zu bleiben?

„Ab 2020 werden sich die geburtenschwachen Jahrgänge bei der Mitarbeiter­beschaffung richtig bemerkbar machen. JobRad wird dann ein noch wichtigerer Bestandteil in dem Gesamtpaket sein, das ein moderner Arbeitgeber seinen Mitarbeitern anbieten muss.“

Es gibt Arbeitgeber, die das Modell nicht einführen wollen.

„Sie befürchten einen zu hohen administrativen Aufwand.“

Zu Recht?

„Im Vergleich zum Firmenwagen ist der Aufwand ein Bruchteil. Wir können zwar nicht alle Aufgaben für den Arbeitgeber übernehmen, einen Großteil aber schon. Wir haben zum Beispiel ein Portal entwickelt, das weitestgehend automatisiert funktioniert. Der Arbeitgeber muss nur noch zwei Sachen machen: die 1-Prozentregel in seiner Personalbuchhaltung hinterlegen und unsere Rechnungen bezahlen.“

Was kann ein Arbeitnehmer tun, der gerne ein JobRad haben möchte?

„Wir machen die Erfahrung, dass die Arbeitnehmer einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass der Arbeitgeber Jobrad anbietet, indem sie an verschiedenen Stellen das Thema Dienstfahrrad ansprechen.“

Welche Argumente pro Dienstfahrrad sind die wichtigsten?

Gesundheit, Mitarbeiterzufriedenheit, Parkplatzeinsparung, unternehmerische
Sozialverantwortung, Attraktivität und vieles mehr. Das Firmenrad kann an vielen Stellen ein Ass im Ärmel sein. Wir sagen immer: Steter Tropfen höhlt den Stein. Wenn die Mitarbeiter immer wieder den Vorschlag einbringen, dann beschäftigt sich das Unternehmen auch irgendwann damit.“

Ende des Jahres sollen bei Jobrad 200 Mitarbeiter arbeiten. Haben Sie mit dieser Entwicklung gerechnet?

„Ja und nein. Ich habe immer an das Potenzial geglaubt, weil die Autoindustrie es mit dem Pkw-Leasing vorgemacht hat. Ich glaube, dass wir weiter wachsen werden und dass das ganze Thema noch viel größer wird. Größer, als wir es uns im Moment vorstellen können.“